Die Kläger wenden sich gegen die Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts durch die Gemeinde. Sie hatten im Jahr 2016 mit notariellem Kaufvertrag Grundstücke im Geltungsbereich einer Sanierungssatzung erworben. Grundlage des Satzungsbeschlusses war eine „vorbereitende Untersuchung“ einer Stadtentwicklungs-GmbH. In der vorbereitenden Untersuchung wurden die wesentlichen Sanierungsziele dargestellt. Der Gemeinderat nahm mit einem Beschluss im Juli 2011 die Voruntersuchung zur Kenntnis, stimmte den Sanierungszielen zu und beschloss die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets als Satzung. Der Antrag auf Genehmigung des notariellen Kaufvertrages zwischen den Klägern und den Beigeladenen ging im Dezember 2016 bei der Beklagten ein. Diese teilte sodann mit, dass der Gemeinderat die Ausübung des Vorkaufsrechts in Erwägung ziehen würde, denn das betroffene Grundstück könnte als Parkfläche für einen geplanten Kulturkeller genutzt werden. Im März 2017 genehmigte die Beklagte den Kaufvertrag nach § 144 BGB. Die Beklagte übte dann im April 2017 das Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB aus. Sie begründete dies damit, dass das Grundstück der Schaffung von Stellplätzen dienen solle. Die Ausübung sei nach Abwägung von privaten und öffentlichen Interessen aus Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Die Kläger haben nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 8.8.2019 (Az. 13 K 12651/17) den Bescheid der beklagten Gemeinde aufgehoben. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes sei materiell rechtswidrig erfolgt. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes sei nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Das Ermessen sei nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden. Die Beklagte hätte nach Bekanntwerden des Kaufvertrages die Fortentwicklung der Sanierungsziele (welche für das Grundstück keine Parkfläche vorgesehen hatten) vor Ausübung des Vorkaufsrechtes konkretisieren müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 25.8.2020 die Berufung auf Antrag der Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30.9.2021 die Berufung zurückgewiesen. Auch der VGH stützt sich auf materielle Rechtsfehler. Maßgeblich für die Prüfung sei die Sach-und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die Beklagte sei nicht nach § 24 Abs. 3 Bau GB zur Ausübung des Vorkaufsrechtes berechtigt gewesen. Das Vorkaufsrecht dürfe nämlich nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertige. In förmlich festgesetzten Sanierungsgebieten müsse sich die Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientieren. Der Begriff des Wohls der Allgemeinheit sei ähnlich wie im Bereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 2 und 3 GG) und den speziellen Enteignungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 VGB) nicht mit dem Begriff des öffentlichen Interesses gleichzusetzen.
Der Verwaltungsgerichtshof führt zudem aus, dass die Beklagte ausweislich des Gemeinderatsprotokolls offenbar schon im Vorfeld des Kaufvertrages davon ausging, dass ihr ein Vorkaufsrecht ohne weiteres zustehe. Offenbar sei es dem Gemeinderat nicht bewusst gewesen, dass die Errichtung eines Parkplatzes auf dem streitgegenständlichen Grundstück nicht im Einklang mit den standortbezogenen Vorschlägen des bisherigen Neuordnungskonzeptes stehe. An einer planerischen Formulierung der Fortschreibung würde es daher mangeln. Wie das Verwaltungsgericht ist auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass die allgemeinen Ziele und Zwecke der Sanierungssatzung sowie Stärkung der Ortsmitte und Schaffung von Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum die Ausübung des Vorkaufsrechts für das Kaufgrundstück für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermögen. Der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verbundene Eingriff in die Privatautonomie erfordere es, zu diesem Zeitpunkt höhere Anforderungen an die Präzisierung der Sanierungsziele zu stellen als bei Erlass der Sanierungssatzung. Das Erfordernis einer fortschreitenden Konkretisierung der Sanierungsziele bestehe daher gerade im Hinblick auf die in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet erforderlichen grundstücksbezogenen Einzelentscheidungen (unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.03.1999, Az. 4 C 8./98).
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