Die Klägerin hatte mit notariellem Kaufvertrag von der Beigeladenen drei unbebaute Grundstücke erworben. Die beklagte Stadt Mannheim erklärte durch Bescheid die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 28 Abs. 2 BauGB für (nur) eines der betroffenen Grundstücke und begründete dies mit der beabsichtigten sozialen Durchmischung der Bevölkerungsstruktur. Die Ausübung des Vorkaufsrechts verfolge dieses Ziel und diene somit dem Wohl der Allgemeinheit, da ein angemessener Anteil des geschaffenen Wohnraums zu preisgünstigen Konditionen vermietet werden könne.
Die Klägerin tritt dem entgegen und hält die Ausübung des Vorkaufsrechts für nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Die beklagte Stadt habe mit dem Bebauungsplan ihre städtebaulichen Ziele bereits konkretisiert und dabei bewusst darauf verzichtet, Festsetzungen für die Schaffung sozialen Wohnraums zu treffen. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BauGB erfasse die Schaffung preisgünstigen Wohnraums nicht. Zudem verstoße es gegen den Grundsatz der Vertragsidentität nach § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB, das Vorkaufsrecht nur für eines der drei durch den Kaufvertrag veräußerten Grundstücke auszuüben.
Die Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte Erfolg: Der Bescheid der Beklagten war aufzuheben. Zur Begründung bezieht sich das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die materielle Rechtswidrigkeit der Verfügung. Die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums bei Sicherstellung einer sozial durchmischten Bevölkerungsstruktur sei nicht durch das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB gerechtfertigt. Zwar habe die Beklagte hier Zwecke verfolgt, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen und durch den Gesetz Geber gebilligte sind. Diese hätten aber keinen Niederschlag in den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans gefunden. Gegen die Berücksichtigung jeglicher vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecke spreche der gesetzgeberische Wille unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Im Fall des Bestehens eines Bebauungsplans schließe das Wohl der Allgemeinheit die im Bebauungsplan formulierten sonstigen Gemeinwohlbelange mit ein. Vor diesem Hintergrund habe sich der Begriff des Wohls der Allgemeinheit in § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB konkret an den jeweiligen städtebaulichen Zielen des in § 24 Abs. 1 BauGB enthaltenen Katalogs zu orientieren. Die Ausübung eines Vorkaufsrechts könne nicht durch einen hiervon losgelösten, beliebigen Gemeinwohlbelang gerechtfertigt werden. Hierbei verweist das Verwaltungsgericht Karlsruhe für ein entsprechendes Verständnis im Fall des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.09.2021 (Az. 3 S 2595/20).
Darüber hinaus stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Ermessensausübung durch den Gemeinderat der Beklagten fehlerhaft gewesen sei. Denn es seien keine sachgerechten Feststellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen des Herausgreifens nur eines Grundstücks für die Klägerin getroffen worden.
Die Entscheidung zeigt eindrücklich, wie fehleranfällig komplexe Verwaltungsentscheidungen im öffentlichen Baurecht sind. Als betroffener Eigentümer, Verkäufer oder Erwerber sollte daher immer zeitnah, falls möglich noch vor Erlass eines belastenden Bescheides durch die Behörde, ein anwaltlicher Experte auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts hinzugezogen werden. Die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Gräber Onasch Ibach stehen Ihnen hierbei gerne jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Für eine erste, unverbindliche Kontaktaufnahme erreichen Sie unseren Fachanwalt für Verwaltungsrecht Tobias Ibach telefonisch oder auch direkt per E-Mail unter ibach@goi-anwaelte.de.