Mit dem Urteil bestätigt der Verwaltungsgerichtshof, dass dem Kläger seitens der beklagten Gemeinde zurecht keine Baugenehmigung erteilt worden ist. So hatte in erster Instanz bereits das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Bauvorhaben die im Straßen-und Baufluchtenplan von 2.3.1953 festgesetzten Baufluchten überschreite. Dem Bauvorhaben stünden daher von der Baubehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 58 Abs. 1 LBauO entgegen.
Insbesondere hält der Verwaltungsgerichtshof fest, dass der Straßen- und Baufluchtenplan nicht infolge des Außerkrafttretens der Bebauungsvorschriften nichtig sei. Trotz des Umstands, dass die örtlichen Bauvorschriften regelmäßig zusammen mit dem Bebauungsplan in einem Verbundverfahren und damit formal in einer Satzung zusammengefasst beschlossen würden, führe die Unwirksamkeit der einen Satzung nicht automatisch zur Unwirksamkeit der anderen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Mai 2019, Az. 5 S 2015/17). So könnten die Grundsätze zur Teilunwirksamkeit von Bebauungsplänen mithin nicht uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Allerdings sei bei einem gemeinsamen Erlass der beiden Satzungen zu prüfen, ob das rechtliche Schicksal der beiden Satzungen nach dem hypothetischen Willen des Gemeinderats gekoppelt sein soll, ob der Satzungsgeber den Erlass örtlicher Bauvorschriften also auch dann erwogen hätte, wenn ihm die Unwirksamkeit des Bebauungsplans bewusst gewesen wäre. Der hypothetische Wille des Gemeinderats sei im Einzelfall zu prüfen, wobei das Verwaltungsgericht nicht sein eigenes planerisches Ermessen an die Stelle der Kommune setzen dürfen.
Im vorliegenden Fall sei bei Heranziehung dieser Grundsätze von einer bloßen Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen. Den der Straßen- und Baufluchtenplan sei nach städtebaulichen Kriterien selbstständig sinnvoll und tragfähig. Es sei zudem anzunehmen, dass der Gemeinderat auch bei Kenntnis des späteren Außerkrafttretens an seiner Konzeption festgehalten hätte. Selbst wenn dem Gemeinderat die Befristung bekannt gewesen wäre, hätte er davon ausgehen können, dass sie zumindest für zwei Jahrzehnte, d. h. während eines nennenswerten Wiederaufbauzeitraums, die gewünschten Rechtswirkungen entfalte. Dies spreche dagegen, dass der Plangeber bei Kenntnis der späteren Wirksamkeit von vornherein vom Erlass des Bebauungsplans in seiner Gesamtheit abgesehen hätte. Jedenfalls würde in der vorliegenden Konstellation die Annahme einer Gesamtnichtigkeit weit mehr in die kommunale Planungshoheit eingreifen, als die Annahme eines isolierten Fortbestands des Baufluchtplans.
Im Übrigen sei der Plan auch nicht funktionslos geworden. An das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit seien strenge Anforderungen zu stellen. Entscheidend sei, ob die jeweilige Festsetzung geeignet sei, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 2 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, werde nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr über alle Plangebiet umgesetzt werden könne. Im vorliegenden Fall sei schon ein Abweichen von der Planungskonzeption überhaupt nicht erkennbar.
Im Übrigen würden auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen, weil dies einen Grundzug der Planung berühren würde. Das Bauvorhaben sei demgemäß insgesamt bauplanungsrechtlich unzulässig.
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