Der Besteller setzt sich gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück zur Wehr. Die Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, sodass § 34 BauGB einschlägig ist. In der ersten Instanz wurde durch das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Baugenehmigung angeordnet, da das Bauvorhaben die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte und die Erteilung einer Ausnahme nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO wegen einer erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange nicht in Betracht komme.
Auf die Beschwerde der Baubehörde wurde der erstinstanzliche Beschluss geändert und der Eilantrag abgelehnt. Bei der gebotenen Gesamtabwägung würde das öffentliche Interesse an der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung des angegriffenen Bescheides gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegen. Dessen Klage habe wahrscheinlich keine Aussicht auf Erfolg, denn den Bauherren dürfte eine Ausnahme nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 LBO zu erteilen sein.
Zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Ausnahme hat der Verwaltungsgerichtshof ausführlich Stellung bezogen: So liege keine erhebliche Beeinträchtigung von nachbarlichen Belangen vor, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen. Allerdings könnten auch durch eine Doppelhausbebauung nachbarliche Interessen erheblich beeinträchtigt werden. Dies wäre etwa der Fall, wenn durch ein grenznahes Vorhaben die Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.4.2009, Az. 3 S5 569/09). Ebenso seien nachbarliche Interessen beeinträchtigt, wenn der quantitative und qualitative Charakter als Doppelhaus im bauplanungsrechtlichen Sinne (§ 22 Abs. 2 BAUNVO) nicht mehr gewahrt sei. Nach diesen Maßgaben würden allerdings im konkreten Fall die nachbarlichen Belange des Antragstellers voraussichtlich nicht erheblich beeinträchtigt werden, da die Balkone als solche die bauordnungsrechtlich gebotenen Abstandsflächen einhielten.
Ferner stellt das Gericht fest, dass dem Bauvorhaben auch keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegenstünden. Eine unzumutbare Beeinträchtigung und somit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht ersichtlich. Vom Bauvorhaben gehe auch keine erdrückende Wirkung aus. Im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots sei auch zu berücksichtigen, dass das Bauvorhaben im Wesentlichen mit den bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften im Einklang stehe. Denn im Regelfall sei davon auszugehen, dass das Rücksichtnahmegebot zumindest aus tatsächlichen Gründen nicht verletzt sei, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten würden, dabei handle es sich um eine Regelvermutung.
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