Beschluss VGH Baden-Württemberg vom 04.11.2020, Az. 4 S 2582/20 – Ausschreibung muss genaue Anzahl der zu besetzenden Stellen angeben.
Dem Beschwerdeverfahren war in der ersten Instanz ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24.07.2020 (Az. 15 K 7550/19; hier der Link zum Parallelverfahren 15 K 6656/19) vorausgegangen. Der Antragsteller hatte dort begehrt, der Beschäftigungsbehörde im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, eine ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers erneut entschieden worden sei. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte den Antrag zurückgewiesen, woraufhin der Antragsteller Beschwerde gem. § 146 Abs. 1 VwGO zum Verwaltungsgerichtshof in Mannheim erhoben hat. Das Verwaltungsgericht hatte in erster Instanz die Auswahlentscheidung zwar für formell und materiell fehlerhaft gehalten. Allerdings habe der Antragsteller keine hinreichenden Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl glaubhaft machen können. Die nicht hinreichende Begründung des Gesamturteils führe nicht zwangsläufig dazu, dass ein Erfolg bei einer erneuten Auswahlentscheidung ernsthaft möglich sei, wenn etwa das beste begründbare Gesamturteil des Antragstellers immer noch schlechter als das schlechteste begründbare Gesamturteil der Konkurrenten sei. Der Antragsteller hätte sich zumindest mit den vom Verwaltungsgericht konstatierten erheblichen Leistungsvorsprüngen der Konkurrentin auseinandersetzen müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof ist im Beschwerdeverfahren der Argumentation des Verwaltungsgerichtes diesbezüglich nicht gefolgt. Bei einem Unterschied von nur einem Punkt in der Gesamtnote bei einer Skala von insgesamt 15 Punkten könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Erfolgt bei einer erneuten Auswahlentscheidung nicht ernsthaft möglich sei. Dies gelte insbesondere, wenn wie hier das Verwaltungsgericht eine Vielzahl von, auch materiellen, Fehlern aufgezeigt habe, beispielsweise die unzureichende Berücksichtigung der Schwerbehinderteneigenschaft des Antragstellers.
Der vom Verwaltungsgericht und von der Beigeladenen angeführte Umstand, dass diese bereits langjährig einen mit A 9 bewerteten Dienstposten wahrnehme, könne grundsätzlich nicht zusätzlich zur Gesamtnote angeführt werden. Die Wertigkeit des innegehabten Dienstpostens sei selbst kein leistungsbezogenes Auswahlkriterium (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.08.2005, Az. 2 C 37.04) und daher bei einer nach Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmenden Auswahlentscheidung allenfalls als Hilfskriterium heranzuziehen. Es sei nicht absehbar, ob es bei einer rechtmäßigen Auswahlentscheidung erforderlich sein werde, auf nichtleistungsbezogene Hilfskriterien abzustellen. Erst recht sei nicht absehbar, welche Hilfskriterien der Antragsgegner heranziehen werde. Nach einer erneuten Auswahlentscheidung sei wiederum eine Wartefrist von mindestens 2 Wochen einzuhalten.
Darüber hinaus wies der Verwaltungsgerichtshof explizit darauf hin, dass er die Bedenken des Verwaltungsgerichts an der ausreichenden Bestimmtheit der Ausschreibung von „bis zu 4“ Planstelle teile. Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedürfe eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genüge. Der Dienstherr könne das Auswahlverfahren u.a. abbrechen, wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich werde, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten. Weiter setze die Rechtmäßigkeit des Abbruchs voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert werde. Dieses berechtigte Anliegen könne der Antragsgegner auch bei einer präzisen Angabe der Anzahl ausgeschriebener Stellen erreichen.
Die in der konkreten Ausschreibung gewählte Formulierung dagegen berge die Gefahr, dass die Möglichkeiten eines Bewerbers, um effektiven Rechtsschutz nachzusuchen beeinträchtigt würden. Dies zeige sich auch bei der dem Gericht bekannten Praxis aus anderen Verwaltungsbereichen, die Bewerberauswahl nach einer Ausschreibung zu staffeln. Hier wird nicht eine Auswahlentscheidung für alle ausgeschriebenen Stellen vorgenommen, sondern besonders herausragende Bewerber werden vorgezogen. Die Auswahl unter den übrigen Bewerbern wird später vorgenommen. Diese Praxis hält der Verwaltungsgerichtshof für problematisch, weil Risiken, wie eine spätere Erweiterung des Bewerberkreises oder eine Streichung von Stellen, nur den verbleibenden Bewerbern auferlegt würden. Zudem führe die Formulierung dazu, dass für einen Bewerber nach Auswahl von nur 3 Konkurrenten nicht erkennbar sei, ob ein Vierter später noch ausgewählt werden solle oder nicht und ob ein Verfahrensabbruch vorliege oder ob die Behörde weniger als die „maximal“ ausgeschriebene Anzahl an Stellen besetzen möchte. Ein solcher Fall müsse unter Umständen wie ein Verfahrensabbruch behandelt und an den gleichen Voraussetzungen gemessen werden, um Art. 19 Abs. 4 GG ausreichend Rechnung zu tragen. Deshalb sei die Ausschreibung von „bis zu 4“ Planstellen als Ausschreibung von 4 Planstellen zu bewerten. Wenn weniger als 4 Bewerber ausgewählt würden, müsse ein (Teil-) Abbruch angenommen werden. Daneben könne man auch erwägen, eine Ausschreibung von „bis zu“ – Stellen insgesamt als rechtswidrig einzustufen.
Insgesamt ist die gerichtliche Entscheidung zu begrüßen. Sie verschafft dem Bestimmtheitsgrundsatz im beamtenrechtlichen Auswahlverfahren zusätzliche Bedeutung, was aus Sicht von Beamten und Bewerbern positiv zu werten ist. Sollten auch Sie mit einer rechtlichen Frage aus dem Gebiet des Beamtenrechtes bzw. öffentlichen Dienstrechtes konfrontiert seien, zögern Sie nicht, uns für ein unverbindliches Erstgespräch zu kontaktieren. Die Fachanwälte der Kanzlei Gräber Onasch Ibach führen Sie auch auf diesem Teilgebiet des Verwaltungsrechts persönlich, verlässlich und souverän durch komplexes Terrain.