Beschluss Verwaltungsgericht Stuttgart vom 07.01.2021, Az. 9 K 3782/20 zum Konkurrentenstreitverfahren: Die am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung über die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens im einaktigen Verfahren kann nicht ausschließlich auf das Ergebnis von Auswahlgesprächen gestützt werden.
Zum Sachverhalt: Der schwerbehinderte Antragsteller ist Stadtamtmann im Dienst der Antragsgegnerin (Besoldungsgruppe A11) im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Antragsgegnerin schrieb den mit Besoldungsgruppe A13 (gehobener Dienst) bewerteten Dienstposten des Sachgebietsleiters für die Abteilung Rehabilitation und Teilhabe aus. Es meldeten sich insgesamt 10 Bewerber, darunter der Antragsteller. Aus dem Bewerberkreis wurden mit 5 Interessenten Vorstellungsgespräche geführt. Grundlage hierfür war jeweils derselbe Fragenkatalog mit 12 Fragen. Die Antworten wurden stichworthaltig festgehalten, protokolliert und in einer Dokumentation tabellarisch zusammengeführt. Im Anschluss an die Gespräche vergaben die Mitglieder des Auswahlverfahrens für jede Antwort des Bewerbers Punkte zwischen 0 und 10 und erstellten aufgrund der Summe eine Rangfolge der Kandidaten. Der Beigeladene erreichte Rang 1, der Antragsteller kam auf Rang 4.
Der Antragsteller beantragte vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die es der Antragsgegnerin untersagt, den ausgeschriebenen Dienstposten des Sachgebietsleiters mit dem Beigeladenen zu besetzen und ihn auf diesen Dienstposten auf A12 sowie A13 g.D. zu befördern, bis über die Bewerbung des Antragstellers auf diesen Dienstposten bestandskräftig bzw. im Falle der Klageerhebung rechtskräftig entschieden worden ist.
Das Gericht hat die begehrte einstweilige Anordnung erlassen und der Antragsgegnerin sowie dem Beigeladenen die Verfahrenskosten auferlegt. In der Entscheidung führt das Gericht aus, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch gegeben seien. Soweit sich ein Beamter im einstweiligen Anordnungsverfahren gegen die Besetzung eines ausgeschriebenen Statusamts durch einen Konkurrenten wende, sei im Hinblick auf die durch die Ämterstabilität begründete Endgültigkeit der Besetzung ohne weiteres ein Anordnungsgrund für die begehrte vorläufige Freihaltung der Stelle zu bejahen. Bei der Besetzung eines Dienstpostens sei zwar grundsätzlich anders als bei der Vergabe eines Statusamtes jederzeit eine Rückgängigmachung möglich, sodass der Betroffene nachgelagerten Rechtsschutz in Anspruch nehmen könne. Folglich müsse im Konkurrentenstreit um die Besetzung eines Dienstpostens ein Rechtverlust oder ein korrekturbedürftiger Nachteil, der die einstweilige Anordnung rechtfertigt, durch die drohende oder erfolgte Stellenbesetzung explizit glaubhaft gemacht werden. Dies sei im konkreten Fall zu bejahen. Denn eine die Rechte des Beamten nach Art. 33 Abs. 2 GG gefährdende Beeinträchtigung könne in der Auswahl eines Bewerbers für einen Dienstposten liegen, wenn diese Auswahlentscheidung nach der Vorgehensweise des Dienstherren Vorwirkung auf die nachfolgende Verleihung eines höheren Statusamtes haben könne. Eine Ausblendungszusage hinsichtlich der Berücksichtigung eines Bewährungvorsprungs stehe einem Anordnungsgrund im Konkurrentenstreit nach § 123 VwGO um die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens, die im Wege des einaktigen Verfahrens, also ohne weitere Auswahlentscheidung, zur Beförderung führen kann, auch dann nicht entgegen, wenn zugleich zugesichert wird, die Beförderung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Eilantrag auszusetzen.
Darüber hinaus existiere ein Anordnungsanspruch, denn das Bewerbungsverfahren leide an gravierenden Rechtsmängeln. Das Verfahren sei rechtlich zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin ihre Auswahl ausschließlich auf der Grundlage eines Vorstellungsgesprächs getroffen habe. Dies genüge nicht den Anforderungen an eine Auswahlentscheidung. Eine solche über die Vergabe eines öffentlichen Amts müsse den Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG genügen. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Der Grundsatz der Bestenauslese vermittle jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl.
Der Vergleich unter den Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG habe vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen. Auch wenn wie vorliegend nicht unmittelbar ein Statusamt ausgeschrieben worden ist, sei bei einem förderlichen Dienstposten, der im einaktigen Verfahren zur Beförderung führt, das heißt, wenn ohne weitere Auswahlentscheidung bereits bei der Besetzung des Dienstpostens mittelbar über das Statusamt entschieden wird, die Auswahlentscheidung ebenfalls am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen.
Ferner sei die Auswahlentscheidung auch deswegen rechtswidrig, da die Verknüpfung der Dienstpostenvergabe mit der Beförderung ohne weitere Auswahlentscheidung nicht den für ein solches einaktiges Verfahren zu fordernden Voraussetzungen genüge. Mit Blick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) müsse die Verknüpfung transparent sein. Der möglicherweise am Dienstposten und Beförderungsamt interessierte Personenkreis müsse wissen, dass mit der Vergabe des Dienstpostens zugleich auch über die Vergabe des Beförderungsamtes entschieden werde. Außerdem sei ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Auswahlentscheidung über die Vergabe des Dienstpostens und der Beförderung erforderlich, um die Aktualität der dienstlichen Beurteilung zu wahren und in der Zwischenzeit möglicherweise hinzukommende weitere Bewerber nicht ohne hinreichende Rechtfertigung vom Auswahlverfahren über das Beförderungsamt auszuschließen. An all diesen Punkten scheitere letztlich das streitgegenständliche Bewerbungsverfahren, sodass das Verwaltungsgericht Stuttgart die begehrte einstweilige Anordnung erlassen hat.
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