Beschluss VGH Baden-Württemberg vom 23.02.2021 (Az. 1 S 467/21): Betriebsuntersagung für Fahrschulen ab 01. März außer Vollzug gesetzt
Eine Fahrschule aus dem Bodenseekreis hat mit ihrem gerichtlichen Eilantrag gegen die teilweise Untersagung ihres Betriebes durch § 1 d Abs. 8 der Corona-Verordnung Erfolg. Der VGH setzt die Vorschrift mit Wirkung zum 01.März 2021 außer Vollzug. Die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes für die teilweise Betriebsuntersagung sind nach Auffassung der Richter gegenwärtig voraussichtlich nicht erfüllt.
Zwar seien die Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen zur Verbreitung der Pandemie dem Grunde weiterhin gegeben. Der VGH beruft sich hier insbesondere darauf, dass die 7-Tages-Inzidenz nicht weiter falle, sondern sich gegenwärtig seitwärts bzw. leicht steigend entwickle. Außerdem weise der Betrieb von Fahrschulen aufgrund des langen Beisammenseins im selben Fahrzeug nicht unerhebliche Infektionsgefahren auf.
Allerdings sei die Notwendigkeit eines landeseinheitlichen Vorgehens weder seitens der Landesregierung dargelegt noch für das Gericht offensichtlich. Das Infektionsgeschehen im Land weise erhebliche Unterschiede auf. Während einige Landkreise eine 7-Tages-Inzidenz von über 100 haben, gibt es auch solche, bei denen diese Zahl unter 50 bzw. sogar unter 35 liegt. Der VGH Baden-Württemberg sieht keine Gefahr von Wanderungsbewegungen zwischen den Landkreisen und plädiert daher für regionale Regelungen bzw. Verbote.
Beschlüsse des VGH Baden-Württemberg vom 19.02.2021 (Az. 1 S 460/21, 1 S 502/21): Fitness- und Tattoostudios bleiben geschlossen
Mit den Beschlüssen lehnt der VGH Eilanträge eines Fitnessstudiobetreibers und des Inhabers eines Tattoostudios gegen die Untersagung ihres Betriebes durch die Corona-Verordnung ihres Landes ab. Der erste Senat des VGH führt dazu jeweils aus, dass die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes gegenwärtig angesichts der 7-Tages-Inzidenz voraussichtlich erfüllt seien.
Das Gericht verweist insbesondere auf § 28 a Abs. 3 Satz 9 IfSG. Eine punktuelle Öffnung in einzelnen Landkreisen würde zu einem erheblichen Anstieg der Sozialkontakte und Infektionsgefahren über die Kreisgrenze hinausführen. Auch aus dem Umstand, dass die 7-Tages-Inzidenz von 50 im landesweiten Durchschnitt inzwischen unterschritten werde, folge nicht anderes. Das Land könne dadurch nicht gezwungen werden, sich einer bundeseinheitlich abgestimmten Strategie zur Pandemiebekämpfung zu verweigern. Außerdem werde der Schwellenwert im Land Baden-Württemberg erst seit wenigen Tagen und bislang auch nur geringfügig unterschritten.
Beschluss VGH Baden-Württemberg vom 01.03.2021 (Az. 1 S 555/21): Schließung des Textileinzelhandels abgelehnt; Landesregierung nicht verpflichtet, „Click&Meet“ zu ermöglichen; Kein Gleichheitsverstoß im Verhältnis zu Friseuren und Gärtnereien
Eine Entscheidung mit Relevanz für die Zukunft, auch wenn zwischenzeitlich in manchen Landkreisen erste Lockerungen erfolgt sind: Ein Einzelhandelsunternehmen aus dem Textilbereich hatte gegen die Untersagung seines Betriebs durch die Corona-Verordnung der Landesregierung geklagt und einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich eines Normenkontrollantrags (§ 47 Absatz 6 VwGO) begehrt. Die Schließung sei rechtswidrig, landesweite Betriebsverbote für den Einzelhandel seien nicht mehr zulässig.
Der erste Senat des VGH widerspricht dem und hält angesichts der 7-Tages-Inzidenz von bundesweit über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 S. 9 IF SG weiterhin für gegeben. Eine punktuelle Öffnung des Einzelhandels in einigen Landkreisen würde zu umfangreichen Kundenströmen zwischen den Kreisen und aus anderen Bundesländern führen. Dies hätte voraussichtlich einen erheblichen Anstieg der Sozialkontakte und der Infektionsgefahren zur Folge.
Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bestehe auch keine Verpflichtung seitens der Landesregierung, erste Lockerungsschritte im Wege eines „Click&Meet“ (also Geschäftsöffnungen, soweit Kunden vorab einen Termin für den Einkauf reservieren) zu ermöglichen.
Die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu Frisörbetrieben würde ferner nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) verstoßen. Für die Ungleichbehandlung würde ein sachlicher Grund existieren. Denn nach typisierender Betrachtungsweise würden Friseurdienstleistungen dennoch zur Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Ähnlich verhalte es sich im Verhältnis zu Gärtnereien und Blumenläden, die ebenfalls früher in den Genuss von Lockerungen gekommen sind. Denn in diesem Bereich des Einzelhandels, der Gartenbaubranche, sei im Vergleich zum übrigen Einzelhandel von geringeren Kundenströmen und einem beachtlichen Teil der Kundenkontakte im Freien, also mit niedrigerer Infektionsgefahr, zu rechnen.