Die Klägerin war vom Regierungspräsidium Stuttgart zur Lehramtsanwärterin mit den Fächern Deutsch, Kunst und Religion ernannt worden. Zur schulpraktischen Ausbildung war sie einem Seminar zugewiesen worden und wurde im Bereich Grundschule eingesetzt. Aufgrund eines Berichts ihrer Mentorin, welcher Schwächen im Bereich Prüfungsangst, Unterrichtsstrukturierung, Organisation und Vermittlung von Lehrinhalten sowie Zeitmanagement und Konzentration auf das Wesentliche benannte, wurde zunächst die Wiederholung des ersten Ausbildungsabschnitts unter Absenkung der Bezüge durch das Regierungspräsidium Stuttgart verfügt. Einige Monate später teilte die Seminarleitung dem Regierungspräsidium mit, dass eine Übertragung selbständigen Unterrichts trotz Ausbildungsverlängerung weiterhin nicht verantwortet werden könne. Die Mängel würden weiterhin bestehen. Zudem bestünden Probleme im Hinblick auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Außerdem weise das Verhalten der Lehramtsanwärterin Anzeichen einer massiven psychischen Belastungssituation auf.
Nach ordnungsgemäßer Anhörung entließ das Regierungspräsidium die Lehramtsanwärterin unter Widerruf ihres Beamtenverhältnisses aus dem Vorbereitungsdienst und ordnete die sofortige Vollziehung der Entlassung an. Hiergegen erhob die Anwärterin Widerspruch. Nach Zurückweisung des Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums erhob die Anwärterin Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart. In I. Instanz gab das Verwaltungsgericht (Urteil vom 06.05.2021, Az. 9 K 1929/20) der Klage statt und hob den Bescheid des Regierungspräsidiums in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Denn die im Streit stehende Entlassung sei rechtswidrig, weil sie verfrüht und unter fehlerhafter Ermessensausübung erfolgt sei. Der Verwaltungsgerichtshof ließ mit Senatsbeschluss vom 15.09.2021 (Az. 4 S 2601/21) die Berufung des beklagten Landes zu.
Mit Urteil vom 11.01.2022 wurde das Urteil aus der I. Instanz abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hält die Berufung für zulässig und begründet. Der Entlassungsbescheid sei rechtmäßig. Zur Begründung führt der Verwaltungsgerichtshof folgendes aus:
Rechtsgrundlage für die Entlassung ist § 23 Abs. 4 S. 1 Beamtenstatusgesetz. Für die Entlassung genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.05.2020, Az. 4 S 3078/19). Auch § 7 Abs. 3 Nr. 5 der Verordnung des Kultusministeriums über den Vorbereitungsdienst für das Lehramt Grundschule gibt vor, dass entlassen werden soll, wenn nach Feststellung der Schule oder des Seminars, auch nach Verlängerung des ersten Ausbildungsabschnitts, die Übernahme selbständigen Unterrichts nicht verantwortet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin aufgrund der gravierenden Schwierigkeiten unzweifelhaft vor.
Die maßgebliche Regelung der Grundschullehramtsverordnung kann auch dahingehend interpretiert werden, dass vor einer Entlassung zwingend drei Unterrichtsbesuche pro Ausbildungsfach stattgefunden haben müssen. So könnte sich der Anwärter durch eine Verweigerung des Unterrichtens gegen eine Entlassung sperren, was nicht dem Regelungsziel entspricht. Die Norm ist dahingehend zu verstehen, dass jedem Anwärter regelmäßig drei Mal pro Fach die Gelegenheit gegeben werden soll, sich während eines Unterrichtsbesuchs zu beweisen.
Außerdem ist die Entlassung nicht verfrüht erfolgt. Es muss dem nicht bis zum Ende des verlängerten Ausbildungsabschnitts zugewartet werden. Eine pauschale Regelung, wann eine entsprechende Feststellung erfolgen darf, existiert nicht. Der zulässige frühestmögliche Zeitpunkt hängt im Einzelfall unter anderem von organisatorischen und pädagogischen Erwägungen ab, aber auch von Umständen in der Person des Anwärters wie Krankheit oder anderweitig begründete Abwesenheit von der Schule. Außerdem ist zu beachten, dass es der Fürsorgepflicht widerspricht, den Beamten unangemessen lange, nämlich länger als für eine sorgfältige Abwägung aller Umstände erforderlich, in Ungewissheit über sein beamtenrechtliches Schicksal zu lassen. Ihm muss deshalb frühzeitig eine erforderliche Umstellung ermöglicht werden (vgl. Urteil BVerwG vom 31.05.1990 zum Beamten auf Probe, Az. 2 C 35.88).
Zuletzt ist die Entlassung nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Ermessensfehlerfrei ist eine Entlassung des Widerrufsbeamten nur möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.2010, Az. 2 B 47.09). Die Entlassung ist aber dann mit der Ratio des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn nicht gerecht wird. Um keinem Formalismus Vorschub zu leisten, ist bei entsprechend intendiertem Ermessen, wie in § 7 Abs. 3 Nr. 5 der Grundschullehramtsprüfungsordnung, GPO II 2014 (danach soll der Anwärter entlassen werden, wenn die Übernahme selbständigen Unterrichts nach Ausbildungsabschnittsverlängerung nicht verantwortet werden kann) keine weitergehende Begründung zu verlangen. Denn in einem solchen Fall kann der zweite Ausbildungsabschnitt ohnehin nicht begonnen werden. Etwas anderes als die Entlassung kommt dann nicht in Betracht, da die mangelnde Bewährung auszusprechen ist, wenn sie unumstößlich feststeht.
Wenn bei Beamten, Beamten auf Widerruf oder Beamten auf Probe eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis im Raum steht, sollte möglichst schnell eine erste anwaltliche Beratung erfolgen. Oft kann noch im Rahmen der Anhörung Einfluss auf die beabsichtigte behördliche Entscheidung genommen werden. Hier besteht die Möglichkeit, Tatsachen und Argumente zugunsten des betroffenen Beamten vorzubringen. Die Fachanwälte der Kanzlei Gräber Onasch Ibach unterstützen Sie hierbei und bei anderen Fragestellungen aus dem Verwaltungsrecht und Beamtenrecht jederzeit gerne. Sprechen Sie uns an!