Anlass der Entscheidung war eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Seniorenzentrums. Die Antragsteller hatten dagegen Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Der Bebauungsplan der Gemeinde Walzbachtal war zuvor durch Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (5 S 404/19) außer Vollzug gesetzt worden. Die Gemeinde führte daraufhin ein ergänzendes Verfahren durch und beschloss den Bebauungsplan erneut als Satzung. Dieser wurde im Mai 2020 ortsüblich bekannt gemacht.
Unabhängig davon erteilte das Landratsamt Karlsruhe eine auf § 33 BauGB gestützte Baugenehmigung zur Errichtung des Seniorenzentrums. Diese nimmt in Nebenbestimmungen auf die Vorgaben des Bebauungsplans zum Nachbarschafts- und Immissionsschutz Bezug.
Die Vorschrift des § 33 BauGB regelt die Zulässigkeit von Vorhaben während der Planaufstellung. Danach ist in Gebieten, für die bereits ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ein Vorhaben unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Namentlich muss die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung durchgeführt sowie die Erschließung gesichert sein. Des Weiteren darf das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegenstehen und der Bauherr muss diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennen.
In I. Instanz lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 26.08.2020 (Az. 4 K 2138/20) den Antrag der Nachbarn ab. Wegen der Außervollzugsetzung könne der Bebauungsplan zwar nicht auf § 33 BauGB gestützt werden. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteile sich nach § 35 BauGB. Das Vorhaben verstoße aber nicht gegen das dort in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen diese Entscheidung hatte Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim kam zu dem Ergebnis, dass die Baugenehmigung zwar nicht nichtig, allerdings rechtswidrig ist und das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Antragsteller verletzt. Der Verwaltungsgerichtshof hält die Erteilung der Baugenehmigung auf Grundlage von § 33 BauGB für objektiv rechtswidrig. Die Vorschrift sei nicht anwendbar, weil der Bebauungsplan außer Vollzug gesetzt war. Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass die Gemeinde ein ergänzendes Verfahren eingeleitet und bereits Schritte zur Beseitigung der Mängel unternommen habe. Die Außervollzugsetzung habe zur Folge, dass der Bebauungsplan so zu behandeln sei, als existiere er nicht. Auf bereits erteilte Baugenehmigungen könne sich die Außervollzugsetzung zwar nicht mehr auswirken. Weitere Baugenehmigungen dürften jedoch auf Grundlage des Bebauungsplans nicht erteilt werden. Hier verwies der VGH auch auf ein ähnlich gelagertes Urteil des OVG NRW vom 05.11.2013 (Az. 2 B 1010/13).
Die gerichtliche Entscheidung stellt eine bemerkenswerte Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 33 BauGB dar. Es bleibt spannend zu beobachten, inwieweit die Rechtsprechung hier zukünftig noch weitere Konkretisierungen vornehmen wird.