
Einführung
Die Frage, welche Kündigungsfristen bei der Kündigung des Dienstvertrages eines GmbH-Geschäftsführers gelten, sorgt aktuell für erhebliche Rechtsunsicherheit. Die beiden höchsten deutschen Gerichte – der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) – vertreten hierzu jetzt unterschiedliche Auffassungen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis und die Vertragsgestaltung.
Hintergrund: Die rechtliche Einordnung des Geschäftsführers
Ein Geschäftsführer einer GmbH ist in der Regel kein Arbeitnehmer, sondern steht in einem sogenannten freien Dienstverhältnis zur Gesellschaft. Das bedeutet, dass sein Vertrag grundsätzlich nicht den arbeitsrechtlichen Regelungen unterliegt, sondern dem allgemeinen Dienstvertragsrecht. Für Arbeitnehmer gelten gesetzliche Mindestkündigungsfristen nach § 622 BGB, die abhängig von der Dauer der Beschäftigung bis zu sieben Monate zum Monatsende betragen können.
Die gegensätzlichen Entscheidungen von BAG und BGH im Überblick
Aspekt | Bundesarbeitsgericht (BAG) | Bundesgerichtshof (BGH) |
Anwendbare Norm | § 621 BGB (freie Dienstverhältnisse) | § 622 BGB analog |
Begründung | § 622 BGB gilt ausdrücklich nur für Arbeitsverhältnisse. Geschäftsführer sind keine Arbeitnehmer, sondern stehen in einem freien Dienstverhältnis. Es besteht keine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertigen würde. | § 622 BGB ist analog anzuwenden. Der Gesetzgeber habe die bestehende Rechtsprechung des BGH zu Kündigungsfristen für Organmitglieder bei der Reform 1993 nicht ausdrücklich korrigiert und somit gebilligt. |
Rechtsfolge | Kürzere Kündigungsfristen nach § 621 BGB (z.B. sechs Wochen zum Quartalsende bei Jahresvergütung). | Längere Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 1 und 2 BGB, analog zu Arbeitnehmern und Anhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses |
Argumente | Nach gesetzgeberischem Wille Keine planwidrige Regelungslücke erkennbar; bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Analogie. | Keine ausdrückliche Korrektur durch den Gesetzgeber; stillschweigende Billigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH, weil der Gesetzgeber nicht konkret geändert habe. |
Was bedeutet das konkret für die Praxis?
Die Entscheidung des BAG vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19 – stellt zunächst klar, dass Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich keine Arbeitnehmer sind und somit nicht unter den Schutzbereich des § 622 BGB fallen. Stattdessen greifen die kürzeren Fristen des § 621 BGB, die je nach Vergütungszeitraum zwischen wenigen Wochen bis maximal drei Monaten zum Quartalsende liegen können.
Der BGH hingegen entschied in seinem Urteil 5. November 2024 – II ZR 35/23 -, dass auch für Geschäftsführer einer GmbH, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, die längeren Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 1 und Abs. 2 BGB analog anzuwenden seien. Der BGH sieht hierin eine Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung und interpretiert das Schweigen des Gesetzgebers bei der Reform von 1993 als Billigung dieser Rechtsprechung.
Bedeutung für die Praxis
Die unterschiedliche Auffassung von BAG und BGH führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Vertragsgestaltung mit Geschäftsführern. Unternehmen müssen daher vorsorglich klare vertragliche Vereinbarungen hinsichtlich der Kündigungsfristen treffen, um Streitigkeiten zu vermeiden. Insbesondere bei langfristigen Verträgen mit Jahresvergütung kann dies erhebliche Unterschiede ausmachen: Während nach dem BAG eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende gilt (§ 621 Nr. 4 BGB) gilt, wären es nach dem BGH deutlich längere Fristen entsprechend § 622 Abs. 2 BGB und anhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses.
Ausblick und Fazit: Klärungsbedarf durch den Gemeinsamen Senat wünschenswert
Da sich BAG und BGH in dieser Frage widersprechen, könnte mittelfristig eine Klärung durch den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes erforderlich und wünschenswert werden. Diese Entscheidung des BGH erfolgte jedoch im Rahmen eines obiter dictum. in Obiter Dictum (Plural: Obiter Dicta) ist eine lateinische Bezeichnung, die wörtlich übersetzt „nebenbei Gesagtes“ bedeutet. Gemeint sind damit Aussagen oder Bemerkungen eines Gerichts oder eines Richters in einer Urteilsbegründung, die nicht unmittelbar entscheidungserheblich sind und somit nicht den Kern der Entscheidung bilden. Daher durfte der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgrund des Dissens zum BGH nicht angerufen werden. Es bleibt für Unternehmen und Geschäftsführer jetzt eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen und es empfiehlt sich dringend, in Geschäftsführerdienstverträgen klare Regelungen zu Kündigungsfristen aufzunehmen und sich nicht allein auf gesetzliche Regelungen zu verlassen.
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