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URTEILE, RECHTSTIPPS UND AKTUELLES AUS UNSERER KANZLEI

Sie interessieren sich für aktuelle Urteile der Rechtsprechung? Oder sind auf der Suche nach Rechtstipps zu einem der Rechtsgebiete, die unsere Kanzlei vertritt? In der folgenden Liste haben wir aktuelle Urteile und Rechtstipps für Sie zusammengestellt. Anhand der Vorsortierung können Sie gezielt juristische Urteile und Tipps zu jenen Bereichen aufrufen, die für Sie interessant sind.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Wann droht Beamten die Entfernung aus dem Dienst?

Kann eine wiederholte sexuelle Belästigung von Kolleginnen zur endgültigen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, auch wenn die Taten strafrechtlich „nur“ mit einer Geldstrafe geahndet wurden? Diese Frage ist besonders bedeutsam im Kontext der Entfernung aus dem Dienst wegen sexueller Belästigung. Mit dieser praxisrelevanten Frage musste sich der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einer aktuellen Entscheidung befassen (Az. DB 16 S 1023/24). Unser Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Tobias Ibach, erläutert die Entscheidung und die Konsequenzen für Betroffene im Raum Karlsruhe, Baden-Baden und Pforzheim.

Worum ging es in dem Fall? Der Sachverhalt

Ein langjähriger Polizeiobermeister der Bundespolizei wurde strafrechtlich wegen sexueller Belästigung in elf Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Taten richteten sich gegen zwei Kolleginnen:

Fall 1: Über einen Zeitraum von einem Jahr berührte er eine Kollegin, die bei der Einarbeitung auf seine Hilfe angewiesen war, wiederholt an Brust und Gesäß. Er nutzte dabei gezielt Situationen aus, in denen er ihr am Computer half und sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befand.

Fall 2: Während einer dienstlichen Schulung, die er als Ausbilder leitete, berührte er eine 19-jährige, ihm neu unterstellte Polizeimeisterin unter dem Vorwand einer „praktischen Übung“ ebenfalls unsittlich an Brust und Gesäß.

Der Dienstherr leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren ein mit dem Ziel, den Beamten vollständig aus dem Dienst zu entfernen. Der Beamte wehrte sich dagegen und argumentierte, die Taten seien von geringer Intensität gewesen und eine mildere Maßnahme, wie eine Zurückstufung, sei ausreichend.

Die Entscheidung des Gerichts: Vertrauen endgültig zerstört

Der VGH Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz (VG Karlsruhe) und die Entfernung des Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis. Die Richter stellten unmissverständlich klar, dass der Beamte durch sein Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig und irreparabel zerstört hat.

Die zentrale Begründung des Gerichts ist wegweisend: Normalerweise wird bei sogenannten mittelschweren Straftaten (hier: sexuelle Belästigung nach § 184i StGB mit einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe) der disziplinarrechtliche Orientierungsrahmen für die Strafzumessung „nur“ bis zur Zurückstufung reichen. Die Rechtsprechung hat diesen Rahmen aber bereits für außerdienstlich begangene Taten bis zur Höchstmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst) erweitert, wenn ein hinreichender Amtsbezug besteht.

Der VGH stellt nun klar: Dies muss erst recht für innerdienstlich, also während der Ausübung des Amtes, begangene Straftaten gelten. Es wäre ein Wertungswiderspruch, ein Fehlverhalten im Dienst milder zu bestrafen als ein vergleichbares Vergehen in der Freizeit.

Besonders schwer wog für das Gericht, dass der Beamte:

  • Dienstliche Abhängigkeitsverhältnisse und seine überlegene Position als erfahrener Kollege bzw. Ausbilder gezielt ausnutzte.
  • Wiederholt und über einen längeren Zeitraum handelte.
  • Keinerlei echtes Unrechtsbewusstsein oder Reue zeigte und seine Taten im Verfahren mit fadenscheinigen Argumenten („enge Räume“, „enthusiastische Schulung“) zu bagatellisieren versuchte.

Dieses Verhalten, so der VGH, offenbart einen gravierenden Persönlichkeitsmangel, der eine weitere Tätigkeit als Polizeibeamter, der Recht und Ordnung schützen soll, unmöglich macht.

Fazit & Praktische Relevanz

Das Urteil ist eine deutliche Botschaft an alle Beamten: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein schweres Dienstvergehen. Die Entscheidung stärkt den Schutz von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und stellt klar, dass der Dienstherr bei solchen Taten die härteste disziplinarische Maßnahme ergreifen kann und wird.

Die wichtigste „Take-Home-Message“ ist: Auch wenn ein Strafverfahren mit einer Geldstrafe endet, kann das disziplinarrechtliche Ergebnis die berufliche Existenz vernichten. Das Vertrauen in die Integrität des Beamten ist die Währung, die hier vollständig verloren ging.

Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie uns!

Haben Sie ein ähnliches rechtliches Problem im Verwaltungsrecht oder Beamtenrecht? Die Fachanwälte der Kanzlei Gräber Onasch Ibach stehen Ihnen an unseren Standorten in Karlsruhe, Pforzheim und Baden-Baden gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine Erstberatung telefonisch oder jederzeit per E-Mail unter ibach@goi-anwaelte.de.

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