
Sie sind Minderheitsaktionär und wurden per Squeeze-out aus einem Unternehmen gedrängt? Nun fragen Sie sich, ob die angebotene Barabfindung fair ist, insbesondere wenn sie unter dem letzten Börsenkurs liegt? Eine aktuelle Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 08.05.2025 (Az. 12 W 21/23) gibt hierzu wichtige Antworten. Unser auf das Handels- und Gesellschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwalt, Tobias Ibach, erläutert die Entscheidung und die Konsequenzen für Betroffene im Raum Karlsruhe, Baden-Baden und Pforzheim.
Worum ging es in dem Fall? Der Sachverhalt
Ein Hauptaktionär, der bereits über 98 % der Anteile an der A AG hielt, leitete ein sogenanntes Squeeze-out-Verfahren ein. Ziel dieses Verfahrens ist es, die verbliebenen Klein- bzw. Minderheitsaktionäre gegen eine „angemessene Barabfindung“ aus dem Unternehmen zu drängen und ihre Aktien zu übernehmen.
Die A AG bot den Aktionären eine Abfindung von 4,14 € pro Aktie an. Dieser Wert wurde durch ein Gutachten auf Basis der Ertragswertmethode ermittelt, die den Wert des Unternehmens anhand seiner zukünftigen Ertragskraft bemisst. Viele der ausgeschlossenen Aktionäre hielten diesen Betrag für zu niedrig und zogen vor Gericht. Sie argumentierten, dass der Börsenkurs der Aktie, der zeitweise bei über 8,00 € lag, die Untergrenze für eine faire Abfindung sein müsse.
Die Kernfrage: Börsenkurs oder Gutachterwert?
Die zentrale Rechtsfrage des Falles war: Welcher Wert ist für die angemessene Barabfindung beim Squeeze-out maßgeblich? Der potenziell höhere Börsenkurs, den ein Aktionär am Markt erzielen könnte, oder der durch Gutachter ermittelte Unternehmenswert?
Die Minderheitsaktionäre forderten, dass der deutlich höhere Börsenkurs als Mindestwert für die Abfindung angesetzt wird. Schließlich spiegle dieser den tatsächlichen Marktwert wider. Die Hauptaktionärin hielt dagegen, dass der Börsenkurs nicht aussagekräftig sei, da die Aktie kaum gehandelt wurde.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe: Marktenge schlägt Börsenkurs
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte die vorinstanzliche Entscheidung und setzte die Abfindung auf 5,08 € je Aktie fest – ein Wert, der ebenfalls auf einer Unternehmensbewertung beruhte und deutlich unter dem von den Klägern geforderten Börsenkurs lag.
Die Begründung des Gerichts ist für alle Minderheitsaktionäre von großer Bedeutung: Der Börsenkurs ist nur dann als Untergrenze heranzuziehen, wenn er den tatsächlichen Verkehrswert der Aktie widerspiegelt. Dies ist laut Gericht nicht der Fall, wenn eine sogenannte „Marktenge“ vorliegt.
Eine Marktenge bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Handel mit der Aktie so gering ist, dass die gebildeten Kurse zufällig und nicht repräsentativ sind. Das Gericht stellte hier eine solche Marktenge fest, weil:
- Geringes Handelsvolumen: Im entscheidenden Drei-Monats-Zeitraum wurde die Aktie an weniger als einem Drittel der Handelstage überhaupt gehandelt.
- Hohe Kursschwankungen: An den wenigen Handelstagen kam es zu erheblichen, unmittelbar aufeinanderfolgenden Kurssprüngen von mehr als 5 %.
Unter diesen Umständen, so das OLG, ist der Börsenkurs kein verlässlicher Indikator für den wahren Wert des Unternehmens. Stattdessen sei die Abfindung auf Basis des nach der Ertragswertmethode ermittelten „wahren“ Unternehmenswerts zu bestimmen.
Fazit & Praktische Relevanz
Die Quintessenz dieses Urteils ist klar: Ein hoher Börsenkurs ist bei einem Squeeze-out keine Garantie für eine hohe Abfindung. Liegt eine Marktenge vor, können sich Hauptaktionäre auf einen (oft niedrigeren) gutachterlich ermittelten Unternehmenswert berufen.
Für Minderheitsaktionäre bedeutet dies, dass sie im Falle eines Squeeze-outs nicht blind auf den Aktienkurs vertrauen sollten. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe unterstreicht, wie wichtig es ist, das Bewertungsgutachten des Unternehmens in einem gerichtlichen Spruchverfahren durch spezialisierte Anwälte genau prüfen zu lassen. Nur so kann die Angemessenheit der angebotenen Barabfindung fundiert überprüft werden.
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